Deutschland als KI-Nation? Was der Koalitionsvertrag WIRKLICH für den Mittelstand bedeutet

14. April 2025
5 Min. Lesezeit

Also gut, die Politik will wieder mal groß rauskommen: “Deutschland soll KI-Nation werden!” tönt es aus dem frisch unterzeichneten Koalitionsvertrag. Große Worte – aber steckt auch was dahinter? Wir haben den 147-Seiten-Brocken für dich seziert und die tatsächlichen Auswirkungen für den Mittelstand herausgefiltert.

Kurz gesagt: Es gibt tatsächlich ein paar richtig gute Ansätze, einen ganzen Batzen leerer Versprechen und natürlich das übliche Fragezeichen bei der Finanzierung. Typisch Deutschland eben.

Endlich ein Digitalministerium! (Bisschen spät, oder?)

Na endlich! Nach nur 15 Jahren Diskussion bekommt Deutschland ein eigenes Digitalministerium. Die Koalition will damit die bisherige Zuständigkeits-Spaghetti entwirren und die Digitalisierung zentraler steuern.

Was das für dich bedeutet? Theoretisch einen klaren Ansprechpartner für digitale Themen. Praktisch müssen wir abwarten, ob das neue Ministerium tatsächlich Biss hat oder nur ein weiterer zahnloser Tiger wird, der dekorative PDFs produziert.

Die KI-Offensive hat einen Namen: 100.000 GPUs

Jetzt wird’s konkret (und teuer): Deutschland will eine “AI-Gigafactory” mit 100.000 GPUs aufbauen. Zum Vergleich: Das ist in etwa die Rechenpower, die OpenAI für die Entwicklung von GPT-4 genutzt hat.

Spannend für den Mittelstand: Die geplanten “KI-Reallabore” sollen explizit KMUs zugänglich sein. Du sollst also nicht nur zuschauen, wie die Großen mit den dicksten Rechnern spielen, sondern deine eigenen KI-Anwendungen unter realen Bedingungen testen können.

Unser Take: Ein wirklich ambitionierter Plan. Wenn – und das ist ein großes WENN – er tatsächlich umgesetzt wird, könnte das ein Game-Changer sein.

Dem AI Act den Stachel ziehen

Hand aufs Herz: Der europäische AI Act hat in seiner Komplexität das Potenzial, zum Innovations-Killer zu werden. Die neue Regierung scheint das verstanden zu haben und verspricht eine “innovationsfreundliche und bürokratiearme” Umsetzung.

Übersetzt: Die im Act enthaltenen Ausnahmen für KMUs sollen maximal ausgenutzt werden. Plus: Eine zentrale Servicestelle soll dich durch den Regulierungs-Dschungel lotsen.

Klingt gut. Aber wir wissen alle, dass zwischen Koalitionsvertrag und Umsetzung oft Welten liegen. Trotzdem: Die Richtung stimmt.

Digitale Infrastruktur: Die ewige Baustelle

Wir müssen reden – über Glasfaser. Ohne schnelles Internet kannst du dir deine KI-Ambitionen an den Hut stecken. Die Koalition verspricht (wie jede Regierung vor ihr) den flächendeckenden Ausbau.

Das Interessante: Deutschland soll als Rechenzentrumsstandort gestärkt werden. Für datenintensive KI-Anwendungen wäre das ein echter Vorteil – niedrigere Latenz, bessere Performance.

Merke: Eine Nation ohne ordentliche digitale Infrastruktur kann keine KI-Nation sein. Egal, wie viele Fördergelder fließen.

Daten, Daten, Daten – aber bitte nutzbar!

Die DSGVO – Lieblingsthema jedes Datenschutzbeauftragten und Albtraum aller Innovatoren. Die Koalition verspricht, “alle vorhandenen Spielräume der DSGVO zu nutzen” und für Vereinfachungen speziell für KMUs zu sorgen.

Übersetzt: Die deutsche Umsetzung soll nicht strenger sein als nötig. Eine “Kultur der Datennutzung und des Datenteilens” soll entstehen.

Unser Kommentar: Längst überfällig. In einer Welt, in der Daten das neue Gold sind, kann es sich Deutschland nicht leisten, weiter den Datenschutz-Weltmeister zu spielen und gleichzeitig bei der Datenökonomie hinterherzuhinken.

Bürokratie-Killer: -25% oder 16 Milliarden Euro weniger Papierkram

Jetzt wird’s richtig sexy (ja, für Unternehmer kann Bürokratieabbau sexy sein!): Die Koalition will die Bürokratiekosten um 25% senken – das entspricht etwa 16 Milliarden Euro.

Der Plan: Ein vollständiger One-Stop-Shop für alle Behördengänge und das Verbot von Datendoppelerhebungen (Once-Only-Prinzip). Bedeutet: Du gibst deine Daten nur EINMAL an den Staat, nicht bei jeder Behörde neu.

Liebe Politik, wenn ihr DAS hinbekommt, benennen wir unseren nächsten Workflow nach euch!

Fachkräfte & Gründungen: Tempo, Tempo, Tempo

  • Eine “Work-and-stay-Agentur” soll Deutschland attraktiver für internationale IT-Fachkräfte machen. (Wird auch Zeit!)
  • Unternehmensgründungen sollen innerhalb von 24 Stunden möglich sein. (In Estland geht’s seit Jahren in 18 Minuten…)
  • Notarielle Vorgänge sollen vereinfacht und digitalisiert werden. (Fax-Geräte heulen auf)

Die Elefantenfrage: Wer soll das bezahlen?

Und hier kommt der Haken: Im gesamten Koalitionsvertrag findet sich kein konkretes Digitalbudget. Stattdessen steht alles unter einem “Finanzierungsvorbehalt”.

Übersetzt: “Wir würden ja gerne, aber nur, wenn Geld da ist.”

Und genau DAS ist der Punkt, an dem die meisten digitalen Großprojekte in Deutschland bisher gescheitert sind. Man plant groß, aber spart klein.

Was heißt das jetzt für DICH?

  1. Bleib wachsam: Die Richtung stimmt, aber die Umsetzung entscheidet. Halte die Augen offen für konkrete Förderprogramme, besonders die KI-Reallabore.

  2. Bereite dich vor: Identifiziere jetzt KI-Potenziale in deinem Unternehmen. Wenn die Fördergelder fließen, solltest du wissen, wo du sie einsetzen willst.

  3. Mach dich schlau: Der AI Act kommt so oder so. Aber die Umsetzung könnte KMU-freundlicher werden als befürchtet.

  4. Sei skeptisch: Deutschland hat eine lange Tradition großartiger digitaler Ankündigungen und mäßiger Umsetzungen. Verlasse dich nicht darauf, dass der Staat deine KI-Strategie rettet.

Fazit: Es braucht mehr als einen Koalitionsvertrag, um eine KI-Nation zu werden

Die neue Regierung hat verstanden, dass KI kein Nice-to-have ist, sondern eine strategische Notwendigkeit. Die Ansätze im Koalitionsvertrag – von KI-Reallaboren bis zur pragmatischen Umsetzung des AI Acts – könnten echte Game-Changer sein.

Aber wie schon Goethe (der im Vertrag zitiert wird) wusste: “Es ist nicht genug zu wollen, man muss auch tun.”

Wir bei AIscream bleiben dran. Nicht nur an den Entwicklungen in Berlin, sondern vor allem daran, wie DU als mittelständisches Unternehmen von KI profitieren kannst – egal, ob aus dem Koalitionsvertrag nun etwas wird oder nicht.

Denn während die Politik noch über die “KI-Nation” diskutiert, kannst du mit der richtigen Automatisierungsstrategie schon heute deine Prozesse optimieren und deinen Konkurrenten davonziehen. Darauf kommt’s an.

Porträt von Sascha Seniuk, IT-Architekt & Gründer AIscream bei AIscream

Sascha Seniuk

IT-Architekt & Gründer AIscream

IT-Architekt mit 20+ Jahren Berufserfahrung. Von DOS über Cluster-Infrastruktur bis hin zu LLM-Workflows. Open-Source-Evangelist mit Kommunikationstalent, der komplexe Technik verständlich erklärt.